Meister, Trickster, Bricoleure – Virtuosität als Strategie für Kunst und Überleben


Virtuosität in der Kunst ist lange in Verruf: Es gibt ein tiefes Misstrauen gegenüber einer Kunst, die will, dass man vor allem ihre Kunstfertigkeit bewundert. Eine Kunst des Meisters, der als solcher erkannt werden will. Aber auch wer Wahrheit sucht – entweder in reiner Vernunft oder in reinem Glauben –, der verachtet Virtuosität als etwas, das vom Eigentlichen ablenkt. Eine Kunst des Tricksters, der als solcher nicht erkannt werden will.

Dabei sind die Virtuosität des Meisters und des Tricksters nicht voneinander zu trennen: Paganini, der Prototyp des Virtuosen, war als Meister immer auch ein Trickster, er spielte mit dem Publikum ebenso virtuos wie mit seinem Instrument. Und der geschickte Dieb, der Magier, der Trickbetrüger – auch sie sind Meister ihres Fachs. Virtuosität markiert einen Rest, den wir nicht erfassen können, der unerklärlich erscheint, der zwar durch Handwerk entsteht, sich aber die Aura des Außerordentlichen verschafft.

Heute, in einer Zeit, deren alltägliche Bewältigung einem permanenten Jonglieren mit disparaten Anforderungen gleicht, ist Virtuosität keine Ausnahme mehr, sondern – wie Paolo Virno zeigt – eine Notwendigkeit für jedermann. Immaterielle Arbeit verlangt nach immer mehr Virtuosität, und die Parallelen zur künstlerischen Produktion sind dabei nicht zu übersehen: Es geht um Produktionsformen, die produktiv sind, aber nicht zwangsläufig ein Produkt herstellen.

Virtuosität in diesem Sinne zeigt sich also nicht notwendig als Souveränität, sondern in einer grundsätzlichen und andauernden Flexibilität, die Arbeit, Privatleben und Politik verknüpft. Virtuosität wird demokratisiert und so zur Kunst der Kollaboration, der Interaktion, der kreativen Verknüpfung von Diskursen und Kontexten, der Bricolage und Improvisation, des Informellen und Temporären.

In ihrer ursprünglichen Form in der Kunst geschmäht, hat sich die Virtuosität also anderswo ausgebreitet. Wie kehrt sie nun auf solche Weise geläutert, verändert, korrumpiert, ökonomisch verwertet wieder in die Kunst zurück?


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