Pressestimmen


Kronen Zeitung - 03.10.2010
Theater im Bahnhof spielt im Grazer Citypark Ärger im Warenparadies
Den Grazer Citypark stellt das Theater im Bahnhof zurzeit mit "Tod eines Bankomatkartenbesitzers", einer Koproduktion mit dem "steirischen herbst", auf den Kopf. Mitten im regen Treiben des Einkaufscenters erforschen die Akteure die Mechanismen dieser kün

Theater im Bahnhof in Aktion: Juliette Eröd und Pia Hierzegger in "Tod eines Bankomatkartenbesitzers" im Grazer Citypark. Diese Produktion ist noch am

   14. sowie am 15. Oktober im Rahmen des "steirischen herbst" zu sehen.

   Eine schrille Promotiontour, angeführt vom charismatischen Moderator Terence Limbaugh (Jacob Banigan), macht in der Mall des Cityparks Station und sorgt unter den einkaufswilligen Passanten nicht selten für Irritation. Noch dazu wo ausschließlich der offizielle Besucher der Produktion mit Kopfhörern ausgestattet ist und somit nur er das, was alle Mitwirkenden so von sich geben, verstehen kann. Da wird man mit Gedankenfetzen ebenso bedient wie mit den schwermütigen Songs einer eingesprungenen Liedermacherin (Pia Hierzegger) oder den bestimmenden Anweisungen der Managerin der Promotiontour (Monika Klengel).

   Die Promotion gilt den sogenannten Bankomatkartenwitwen, denn tot ist man in einem Einkaufszentrum auch dann, wenn man nicht mehr zahlungsfähig ist, Bankomat- und Kreditkarten gesperrt sind. Zwei Opfer (Juliette Eröd und Martina Zinner) und ihre durchaus banalen Geschichten vom Scheitern kommen hier ebenso zu Wort wie unbeteiligte Passanten, die in den Interviews seltsamerweise allesamt nicht ihre Bankomatkarten-Codes verraten wollten.

   In der subtil auf die Umgebung reflektierenden Regie von Helmut Köpping und der mit bösem Unterton versehenen Ausstattung von Johanna Hierzegger treibt das TiB seine Erforschung des Privaten und Öffentlichen souverän voran. In die schräge Situationskomik mischen sich allerdings immer mehr Untertöne, die einen nachdenklich zurücklassen. Sehenswert!Michaela Reichart

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Die Welt mühevoller Vergeudung

"Chiavi in Mano" - "Bezugsfertig" nennt die Filmemachergruppe Zapruder ein vom "steirischen herbst" koproduziertes Doppel-Feature, mit dem sie auf sehr unterschiedliche formale Arten die Phänomene Arbeit und Verbrauch erörtert. Zwei 3-D-Filme als lakonische Gesellschaftsanalyse, zu sehen noch heute ab 19.30 Uhr.

   Die Frau aus dem 4-Sterne-Hotel: "All inclusive" von Zapruder

   Der Film "All inclusive" schildert die Arbeit einer Hotelangestellten. Die im Keller hausende Frau ahndet die lässlichen Sünden ihrer Kollegen mit Mord. Das Zimmermädchen, das verbotenerweise raucht, fällt ihrem Feldzug ebenso zum Opfer wie der schlampige, dauernd Tennisübertragungen verfolgende Koch.

   Die lakonische Machart, der ungerührte Erzählton des 3-D-Films erinnert an Meisterregisseure wie Robert Bresson, Michelangelo Antonioni und Aki Kaurismäki, die soziale Kälte virtuos auszuleuchten vermögen. Anders als das mordende "Mädchen aus der Streichholzfabrik" aus Kaurismäkis eiskaltem Melodram ist die Frau aus dem 4-Sterne-Hotel aber kein Opfer, sondern skrupellose Täterin, die unkorrekte Arbeit bestraft.

   "Joule" heißt das Hotel, das als Sinnbild für die Macht der Arbeit dient, der sich alles unterwerfen muss. Zapruders Gesellschaftsanalyse überzeugt ästhetisch nicht restlos, trotz gezielt eingesetzter 3-D-Technik ist die Bildsprache dafür zu wenig eindringlich und präzise.

   Die physikalische Maßeinheit für Arbeit, Joule, ist nicht nur Name des Hotels, sondern auch des ergänzenden Films. Hier gibt es keine Erzählung, sondern eine Aneinanderreihung von Szenen, in denen Energie verbrannt wird: ein Bodybuilder beim Training, eine Stripperin, ein skurriles Tänzerduo, ein herrenloser Panzer und ein theoretischer Exkurs zur Verschwendungstheorie des Ethnologen Marcel Mauss. Der Filmessay häuft gelungene Bilder vom (sinnlosen) Verbrauchen von Energie und Metaphern für mühevolle Vergeudung.

   Dass der "herbst" in seinem Tanz/Theater/Performance-Schwerpunkt eine reine Filmarbeit zeigt, passt zwar formal gar nicht, ist aber inhaltlich sinnfällig, analysiert "Chiavi in Mano" doch Leistung, die Performance an sich. Warum die Filme an getrennten Orten (Orpheum bzw. Dom im Berg) gezeigt werden, bleibt dagegen völlig rätselhaft.


Martin Gasser



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