Pressestimmen


Kronen Zeitung - 26.09.2010
Mechanisches Ballett ohne Pathos


"Meister, Trickster, Bricoleure" heißt das Generalthema des "steirischen herbst" 2010, der sich mit Aspekten der Virtuosität in Kunst und Alltag befasst. Eröffnet wurde das Festival in Graz mit der "Maschinenhalle #1", einem virtuosen, elaborierten Konzeptkunststück, einem "mechanischen Ballett" für zwölf Tänzer. Das bisweilen faszinierende Vexierspiel aus Kontrolle und Freiheit ereignete sich in einem Spannungsfeld aus aufwändiger Apparatur und filigranen Details.

   "Maschinenhalle #1" eröffnete den "steirischen herbst" in Graz

   Komponist Bernhard Lang, Choreografin Christine Gaigg, Medienkünstler Winfried Ritsch und Licht- und Bühnendesigner Philipp Harnoncourt eröffneten den "herbst" mit einer Über-Maschine. Zwölf Tänzer auf Podesten mit Klangplatten und ebensoviele Klavierautomaten formieren sich in der List-Halle zum "mechanischem Ballett", in dem Mensch und Maschine zu einer Einheit verbunden werden, in dem hierarchische Ordnungen oszillieren.

   Die tänzerischen Bewegungen werden via Klangplatte und Computerprogramm auf die Tastatur der Klavier-Maschinen umgerechnet. Diese zwölf Automaten haben einen Aktionsradius weit jenseits physiologischer menschlicher Grenzen, was eine große Bandbreite unerhörter Klänge zulässt: abenteuerliche Clusterbildungen, kleinste, filigranste Muster knapp an der Hörschwelle, geradliniges, leicht ausgefranstes Stampfen und Wüten.

   Die Tänzer werden zu Schöpfern und Interpreten gleichermaßen, sie sind die Instrumentalisten in einer strikten Anordnung, die das Produzierte wiederum aufgreifen und weiterentwickeln. Diese Feedback-Schleifen sind in eine Gesamtdramaturgie aus Soli, Kontrapunkte und Synchronität eingeordnet.

   So wird "Maschinenhalle #1" zu einem perspektivischen Wechselspiel aus Totale und Details, aus einstündiger Großform und kleinsten Varianten, aus technischer Versuchsanordnung und individuellem, souveränem Ausdruck. Wobei die Arbeit typische, pathetische Zuschreibungen überwindet: Hier wird gezeigt, wie der Mensch nicht bloß zum Teil einer Maschine degradiert wird, hier ist er kein bewusstseins-loses Rädchen, sondern der hochvirtuose Nutzer ihrer Möglichkeiten, der jedoch auch um die Problematik maschineller Kontrolle weiß.

   Das Publikum dankte mit langem, freundlichem Applaus für die künstlerisch gelungenste "herbst"-Eröffnung seit Jahren.

Martin Gasser



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