Pressestimmen


Der Standard - 06.10.2010
Gegen das "Paganini-Virus"
Christian Scheib, der Verantwortliche des Festivals Musikprotokoll beim Steirischen Herbst (bis 10. 10.), sprach mit Ljubiaa Toaiæ über das Programm und das Radio-Symphonieorchester Wien, dessen Manager er ist.

Standard: Sie sind Ö1-Musikchef, Manager des Radio-Symphonieorchesters Wien, und auch um das Musikprotokoll-Festival beim Steirischen Herbst haben Sie sich zu kümmern: Das ist ganz schön viel.

   Scheib: Es kommt darauf an, wie man es betrachtet. Orchestermanager und Ö1-Musikchef - das ist nicht neu, das gab es schon. Ich wurde Orchestermanager zu einem Zeitpunkt, als man das als Pech betrachten konnte, die Existenz des Orchesters war ja nicht gesichert. Deswegen fiel das vielleicht besonders auf. Beim Musikprotokoll habe ich das unglaubliche Glück, dass Frank Zimmer das als ausführender Produzent betreut. Das läuft so, dass ich mir quasi den künstlerischen Input wünsche, und dann schauen wir, dass ein gutes Programm entsteht. In den ersten Jahren, ab 1995, war ich wirklich viel in Graz. In dieser Art ist das nicht mehr möglich und auch nicht notwendig.

   Standard: Wer gestaltet noch wesentlich mit beim Festival?

   Scheib: Ganz wichtig ist Susanna Niedermayr, die Teile des Festivals kuratiert. Es ist ihrer Energie zu verdanken, dass das Musikprotokoll ein Teil eines internationalen Festival-Netzwerks wurde - das allein erzeugt eine neue Energie, die es nicht gab, da entstehen neue Projekte. Routine im negativen Sinn kann eh nicht entstehenen, denn es sind die Projekte meistens auch immer in die Thematik des Steirischen Herbstes eingebunden. Das sind dann quasi Vorgaben, und die möglichst kreativ zu erfüllen kann sehr spannend sein.

   Standard: Welche Thematik stand dieses Mal im Vordergrund?

   Scheib: Heuer geht es um Virtuosität. Wenn man das simpel versteht, quasi an das "Paganini-Virus" denkt, ist das nicht interessant. Virtuos sind eh alle. Wir wollten das deshalb etwas anders denken, weil es in der Musik ja so etwas wie eine konzeptionelle Virtuosität gibt. So gibt es Projekte, bei den man Virtuosität orten kann, aber eben nicht im instrumentaltechnischen Sinne. Da sind etwa die Stücke von James Tenny und Georg Friedrich Haas, ganz ruhigen Kompositionen, bei denen im vordergründigen Sinne überhaupt nix zu meistern ist, wo es um Feinheiten geht.

   Standard: Ein Musikprotokoll-Abend, der auch Ihnen besondere Vorfreude bereitet?

   Scheib: Na, schon auch, dass die Formation Radian beim Festival auftritt. Sie haben lange am neuen Album gearbeitet und präsentieren ihre neue CD in Österreich nun beim Musikprotokoll, in der Generalmusikdirektion, also im Clubkontext. Sie waren schon 1999 beim Musikprotokoll, da haben sie in einem ungewohnten Kammermusikrahmen agiert, war auch sehr spannend.

   Standard: Das Radio-Symphonieorchester Wien ist traditionellerweise beim Festival dabei. Wie ist da insgesamt die Lage, nachdem die Existenz des Orchesters vorerst einmal gesichert ist?

   Scheib: Mit dem neuen Chefdirigenten Cornelius Meister funktioniert es sehr gut. Es war leicht, sich mit ihm auf eine Programmmischung zu einigen, bei der Werke des 20. Jahrhundert eine Art Homebase darstellen, was nicht heißt, dass man nicht auch Traditionelles spielen wird.

   Standard: Es war schon länger davon die Rede, dass noch an die 13 Orchesterpositionen nachzubesetzen wären. Kommt das jetzt?

   Scheib: Darüber wird man jetzt mit dem neuen Hörfunkdirektor Karl Amon zu reden haben. Es gibt positive Signale, alle wissen, dass man etwas tun muss. Es geht auch nicht darum, dass wir jetzt gleich 13 Stellen besetzen. Es geht darum, diesen Aufnahmestopp, der seit 2006 existiert, aufzuheben. So etwas gefährdet irgendwann die Qualität des Orchesters.

   Standard: Langfristig wohl auf jeden Fall, obwohl das Orchester ja mittlerweile auf einem sehr guten Niveau arbeitet.

   Scheib: Es wird natürlich eher unangenehm, wenn die Tatsache der Nichtnachbesetzung dazu führt, dass zu den Probespielen nicht mehr die besten Musiker kommen und diese dann eher dort hingehen, wo sie wirklich mit einem Job rechnen können. Bei uns gibt es dann auch Pensionierungen, da wird man etwas tun müssen, um die Substanz des Orchesters zu halten. Aber mein Eindruck ist, dass man an verantwortlicher Stelle den Handlungsbedarf sieht.

   Standard: Ihr persönlicher Beitrag als Orchestermanager?

   Scheib: Ich bemühe mich, Projekte und Strukturen zu entwickeln. Es gibt ein eigenes RSO-Marketing, und auch der Apparat, der sich um das RSO kümmert, sollte so sein, dass er nicht am Rande des Burn-outs agiert. Ich habe schon am Anfang gesagt: Wenn man glaubt, dass ich nur die Ruhiglegung des Orchesters betreiben werde, hat man den Falschen engagiert.

   CHRISTIAN SCHEIB, Jahrgang 1961, ist Musikchef von Ö1, Orchestermanager des RSO Wien und Programmverantwortlicher des Festivals Musikprotokoll, das bis 10. 10 in Graz stattfindet.

   Es wird dann eher unangenehm, wenn zum RSO-Probespiel nicht mehr die Besten kommen.

   Die Wiener Experimental-Band Radian spielt am Donnerstag, dem 7. 10., im Rahmen des Musik- protokolls beim Steirischen Herbst. Foto: Thrill Jockey




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