Pressestimmen


Salzburger Nachrichten - 04.10.2010
Wäscheleine in der Grazer City
steirischer herbst. In der Innenstadt kann man theorielastige Kunstwerke aufstöbern, im Shoppingcenter wird Theater gespielt.

Wer hat denn hier seine Wäsche zum Trocknen aufgehängt? Zwischen Mariahilfkirche und der vor sich hin gammelnden Murinsel? Die deutsche Künstlerin Isa Genzken ließ die "Wäscheleine (Dedicated to Michael Jackson)" spannen und kombiniert dieses Objekt mit zwei in Glasvitrinen abgestellten Rollstühlen. Starkult und Leid, schöner Schein und harte Wirklichkeit stoßen hier aufeinander.

   Was laut Begleittext "uns auch ein bisschen beunruhigen lässt", ist Teil des Ausstellungsprojekts "Utopie und Monument II", in dem Kuratorin Sabine Breitwieser "Über die Virtuosität des Öffentlichen" nachdenkt. Der im vorigen steirischen herbst realisierte erste Teil des Projekts vermochte kaum zu überzeugen, auch heuer leidet "Utopie und Monument" an Theorielastigkeit und mangelnden sinnlich wahrnehmbaren Kunst-erlebnissen. Was nicht immer die Schuld der Veranstalter ist. So wurde etwa die für die Fassade des Grazer Rathauses konzipierte Schriftskulptur "AufeinWort" des Künstlers Michael Schuster behördlich nicht genehmigt: ein Affront.

   Sehenswert, vor allem des Nachts, ist die Arbeit "Natasza, Arbeiterkantine und Blumen" der Polin Paulina Olowska. Sie montierte drei rekonstruierte Neonreklamen aus Warschau auf das Dach eines denkmalgeschützten Architekturensembles: Nostalgisch anmutender Ostcharme blinkt und flackert in der Grazer City. Nur über Info-Bildschirme in Straßenbahnen zu sehen ist die Arbeit "Der Mythos der Ordnung Nr. 1" von Kader Attia aus Frankreich. Der Künstler reflektiert über die Bildmetapher einer ausgestreuten Couscous-Linie, an der sich Tauben delektieren, zum Thema Migrantentum. Die Linie verschwindet, der Grieß wird von Vögeln gefressen oder vom Wind verweht. "So zeigt sich, dass Trennlinien, Grenzen vom Menschen erdacht und geschaffen wurden, um das Sozialverhalten im öffentlichen Raum zu regulieren", sagt der Künstler. Der Rest von "Utopie und Monument II"? Enttäuschende, weil trockene, gestelzte Kuratorenkunst.

   Von der bildenden zur performativen Kunst im öffentlichen Raum: Das Grazer Theater im Bahnhof (TiB) lud zur voyeuristischen Konsumkritik(?)-Show in den Shoppingtempel Citypark. Mit Kopfhörern ausgestattet, verfolgt das Publikum aus dem ersten Stock das teilweise improvisierte Treiben zu ebener Erd‚ zwischen Einkaufswagerlschiebenden und Plastiksackerlträgern.

   "Tod eines Bankomatkartenbesitzers" heißt die revueartige Performance, die viel will und wenig erreicht. Jacob Banigan ist ein netter Showmaster mit launigen Kommentaren zu Modefarben ("Zwetschke"). Auch Pia Hierzeggers Lieder haben Charme, aber insgesamt fehlt es der Produktion an Brisanz, Linie und Mut. Harmlos sind nicht nur die Interviews mit den Einkaufenden. Crux für das TiB: Die vorbeiziehende Shoppingschar zu beobachten, ist schon Alltagstheater genug.

Martin Behr



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