Pressestimmen


Wiener Zeitung - 02.10.2010
Die Kontrolle des Zufalls
Der Weltraum - unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2010. Dies sind die Abenteuer der Forsythe Company, die mit ihrer 16 Mann und Frau starken Besatzung rund eineinhalb Stunden unterwegs ist, um neue Tanzwelten zu erforschen. Scheinbar viele Lichtjah

 "I don't believe in outer space" heißt diese Reise, die im Rahmen vom diesjährigen "steirischen herbst" erstmals in Graz zu sehen ist. Der Reiseleiter ist der gebürtige US-amerikanische Choreograph William Forsythe, der unumstritten zu den führenden zeitgenössischen und auch neoklassischen Tanzschaffenden zählt. Er zerlegte das Bewegungsrepertoire des klassischen Balletts in seine Einzelteile, um es neu zu konstituieren. Seine früheren Werke sind heute im Repertoire der großen Ballettensembles wie jenem der Wiener Staatsoper, seine jüngsten Stücke hingegen werden von seinem Ensemble - 2004 nach Auflösung seines Frankfurt Balletts gegründet - aufgeführt. Das Ensemble ist sicherlich keine Kompanie im herkömmlichen Sinn, sondern ein Zusammenspiel von faszinierenden Persönlichkeiten, von denen jeder, für sich betrachtet, ein Solist ist. Forsythe weiß dies für sich zu nützen und zieht dabei die richtigen Fäden.

   Emotionale schwarze Löcher

   "I don't believe in outer space" wurde bereits im November 2008 in Frankfurt am Main uraufgeführt, Thom Willems komponierte die Musik, und Dorothee Merg kreierte die Kostüme, die eigentlich nicht wirklich als solche erkennbar sind, sondern eher an zufällig gewähltes Trainings-Outfit erinnern. Und genau dieser vermeintliche Zufall, der einmal mehr die Präzisionsarbeit dahinter zeigt, zieht sich durch das Werk: Wahllos liegen zusammengeknüllte Bälle aus dunklem Klebeband auf der Bühne. Bälle, die an Mondgestein erinnern und teils kindlich verspielt, teils absurd durch den Raum geschossen oder zum Deformieren des Körpers verwendet werden. Die Choreographie scheint nicht festgelegt zu sein, die Bewegungen der herausragenden 16 Tänzer passieren aufs Geratewohl mal eben so. Unkontrolliert - wie aus Gummi bestehend - winden sich die Körper in Solos, Duos und Gruppenformationen, sie würgen einander, beschießen sich, tauchen in emotionale schwarze Löcher oder erstarren.

   Dabei wird viel geredet und zitiert; schon während das Publikum den Raum betritt, wird eines jener vielen Minidramen plastisch in den Raum gestellt: Dana Caspersen spricht einen Dialog zwischen Gastgebern, die stocksteif ihren unkonventionellen Gästen Tee und Gebäck anbieten. Dabei beschreibt sie auch die Gestik der Rollen, die sie alle gleich selber mimt. Der Übergang zur nächsten Szene ist abrupt in Licht- und Musikwechsel. Ein Regieeinfall, der im Lauf des Abends immer wieder die Stimmung kippen lässt und in manchen Momenten dem Stück einen Revue-Charakter verleiht. Die Nummern rutschen zunehmend auf eine parodistische Ebene, wenn die große Gestik eines Opernsängers oder eine Step-Stunde, dessen Animateurin das Publikum mit unverständlichen Instruktionen auf Japanisch grotesk zu motivieren versucht, durch den Kakao gezogen werden. Komik und Schmerz sind wie Imagination und Realität eng verwoben. Willkommen im Forsythe-Universum, in dem es nichts gibt, was es nicht gibt.

   Tanz

   I don't believe in outer space

   Von William Forsythe

   Helmut-List-Halle/Graz im Rahmen des "steirischen herbst"

   www.steirischerherbst.at

   Wh. am 2. Oktober

Bild: Yoko Ando und Nicole Peisl kreisen in William Forsythes Universum zwischen Komik und Schmerz. Dominik Mentzos

Verena Franke



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