Pressestimmen


www.gat.st - 18.06.2010
Herbst-Trickster
Nach dem diesjährigen Leitmotiv „Meister, Trickster, Bricoleure“ richtet der steirische Herbst 2010 seine Untersuchungen, künstlerischen Arbeiten, sein Programm aus.

Davon war zwar während der ersten Pressekonferenz zum diesjährigen steirischen herbst nicht die Rede: Um aber einen Eindruck davon zu geben, was der in unserem Sprachraum eher selten so bezeichnete Trickster ist: Alessandro Graf von Cagliostro, der eigentlich Giuseppe Balsamo hieß, dürfte ein solcher gewesen sein. In Palermo geboren, sollte der Alchimist einer der bekanntesten Scharlatane seiner Zeit werden. Sein Auskommen bestritt er mit Fälscherei und Wahrsagerei, er gab sich als Arzt aus, war Hypnotiseur und Gründer eines obskuren Ordens und kam am Hof Ludwigs des XVI. zu großem Ansehen. Als Goethe ihn im Zuge seiner italienischen Reise besuchen wollte, dürfte er zwar zu Hause gewesen sein, ließ sich aber durch seine Mama verleugnen. Wenn’s prekär wird, machen sich Trickster aus dem Staub.
Dass der Trickster in seinem Metier aber auch Virtuosität und Meisterschaft an den Tag legen muss, ein Bastler ist, vermittels Lügenkonstrukt etwa als politischer Opponent auftritt – wie beispielsweise Benjamin Disraeli im 19. Jahrhundert den Trickster ins literarische Spiel brachte –, das will der steirische Herbst mit seinem Mehrspartenprogramm zur Schau und Diskussion stellen. Unter anderem mit dem „Casino of Tricks“, einer Produktion des deutschen Kollektivs „geheimagentur“ im Festivalzentrum, heuer im architektonisch adaptierten Forum Stadtpark. Das Publikum ist eingeladen, Tricks aller Art zu deponieren. Dafür gibt es Spielchips, die sich in bare Münze tauschen lassen.
Eröffnet wird der Herbst auch heuer in der Helmut-List-Halle, diesmal mit der Uraufführung einer Komposition von Christine Gaigg, Bernhard Lang, Winfried Ritsch und Philipp Harnoncourt. „Maschinenhalle #1“ ist ein spartenübergreifendes Werk als Metamaschine zwischen Halle, Menschen und Maschinen. Zwischen zwölf aneinandergekoppelten Stationen, die je aus einer Klangplatte und einem Automatenklavier bestehen, agieren Tänzerinnen und Tänzer in einer Feedback-Situation aus Bewegung und sich selbst generierenden Klängen.
Sinnbildlich für die Existenz des Hochstaplers nehmen die österreichischen Architekten feld72 einen Zubau am und durch das Forum Stadtpark vor. Aus Europaletten wird eine Freilichttribüne, aus dem Innenraum in den Stadtpark, gestapelt. Neben weiteren Veranstaltungen wird das Theater im Bahnhof dort zur Landtagswahl Telefongespräche mit PolitikerInnen einspielen. Ebenfalls von TiB stammt die dramatische Inszenierung „Tod eines Bankomatkartenbesitzers“. Im Grazer Citypark thematisiert dieses Stück von Rupert und Michael Lehofer das Prinzip Shopping als Existenzbestätigung.
Die bildende Kunst ist mit der Weiterführung von Sabine Breitwiesers „Utopie und Monument“ im öffentlichen Raum vertreten. Mit „Verbotene Liebe“ behandelt der Kunstverein Medienturm die „Kunst im Sog von Fernsehen“ und das Kunsthaus Graz zeigt unter dem Titel „Autotheater“ eine Retrospektive auf das Werk von Franz West, außerdem, in Kooperation mit dem Museum Tinguely, die Ausstellung „Roboterträume“, die derzeit in Basel zu sehen ist.

Steirischer Herbst 2010: Eröffnung am 24. September um 19.30 Uhr in der Helmut-List-Halle mit „Maschinenhalle #1“, „Last Brunch“ im Festivalzentrum am 17. Oktober ab 11.00 Uhr.
Informationen und Termine unter www.steirischerherbst.at

Wenzel Mracek



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