Pressestimmen


Der Standard - 06.10.2010
Wenn Körper denken
Uraufführung einer neuen Choreografie von Philipp Gehmacher: "In Their Name"

Beinahe schien es so, als wollte sich der österreichische Choreograf Philipp Gehmacher aus der Liveperformance zurückziehen. So perfekt und stimmig war seine Zusammenarbeit mit dem kongenialen Künstler Vladimir Miller für die beiden Videoinstallationen Dead Reckoning , die beim Steirischen Herbst im Vorjahr gezeigt wurde. Ebenso At Arm's Length , erstmals präsentiert vor einem halben Jahr vom Tanzquartier Wien im Museum Leopold.

   Aber der Eindruck täuscht. Gehmacher, der zuletzt mit Meg Stuart kooperiert hat - in der Performanceinstallation The Fault Lines -, tritt wieder auf die Live-Bühne, und zwar mit der Produktion In Their Name, gemeinsam mit dem Franzosen Remy Héritier und der jungen österreichischen Choreografin und Tänzerin An Kaler. Für diese Uraufführung gestaltet Miller den Raum.

   Das Ungewöhnliche an Gehmacher ist, dass er für seine choreografische Arbeit eine eigenständige tänzerische Form entwickelt hat. Eine Seltenheit. Vor ihm ist das zuletzt nur Meg Stuart gelungen - zu Beginn der 1990er-Jahre. Gehmachers Körpersprache bezieht den gesamten Umraum mit ein, ist mehr als einfach deuten und Gesten zeichnen.

   Er schafft ein Bezugssystem zwischen den Tänzern und den Gegebenheiten, die diese bewegen. So ist In Their Name angedacht. Es kommuniziert über Handlungen im Anderen ebenso wie über das Fremde im Eigenen.

   Körper und Raum

   Dieses Trio wird sich aber nicht so sehr mit den Verbindungen zwischen Körper und Raum auseinandersetzen, sondern vielmehr mit den Verhältnissen der Figuren untereinander. Mit - so der Ankündigungstext - "der Präsenz als Modus des Zeigens und Teilens".

   Wie in früheren Arbeiten des Künstlers werden die Tänzer auf der Bühne Dinge tun, an die unsere Körper oft denken mögen, ohne dass uns diese Gedanken bewusst werden.

   Wie nur wenige Choreografen schafft Gehmacher das Kunststück, einen Körper vorzuführen, der nicht durch die Künstlichkeit spektakulärer Tanztricks verkleidet ist. Sondern vielmehr Körper ist, der unter der Oberfläche seiner Erscheinungsbilder verborgen ist. In Gehmachers Worten: "Körper, die aufzeigen, als würden sie sprechen."

   Stumme, nur beinahe sprechende Figuren, die sich bewegen, als hätten sie sich gerade hingestellt. Auf spannungsgeladene Pausen kann ein plötzliches Kippen der Situation wie eine kurze Bildstörung im Realitätsfilm folgen.

   Die Vorführung des unvertrauten Anderen, einer Kommunikation unterhalb des Geplätschers der Konversation und menschlicher Beziehungen außerhalb gängiger Rituale - all das zeichnet Gehmachers seit 1997 mit unglaublicher Konsequenz weiterentwickelte Arbeit aus. (ploe)

   >> In Their Name, Mumuth, 15. 10., 19.30; 16. 10., 17.30, 21.30


Helmut Ploebst



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