Pressestimmen
Kronen Zeitung - 30.09.2010
Ein Sturm auf die Festung
Die 2007 verstorbene Autorin Marianne Fritz hat mit ihrem Werk eine einmalig radikale und komplexe literarische Festung hinterlassen. Das bislang unveröffentlichte Werk "Naturgemäß III" stürmt das Theaterkollektiv "Fritzpunkt" beim "steirischen herbst" mit heimischen Autoren im Grazer Literaturhaus.
Vom Verstehenkönnen ist man als Leser bei Marianne Fritz meist weit entfernt. Seit den 1980er-Jahren hat sie an einer ausufernden Abhandlung über die Erste und Zweite Republik gearbeitet, der sie selbst den Titel "Festungsprojekt" gegeben hat. Programmatisch der Titel des 1985 erschienen Romans "Dessen Sprache du nicht verstehst". Viel bedeutender bei Fritz ist die Frage, wie kreativ man als Leser zu sein bereit ist, wie man mit dem Scheitern am Werk umgeht und was man "trotzdem" mitnehmen kann.
Dementsprechend gestaltet sich auch die Art und Weise, wie das Wiener Theaterkollektiv "Fritzpunkt" mit dem bislang unveröffentlichten Werk "Naturgemäß III" umgeht. Inhalt und Form, Narration und Struktur verschmelzen darin zu einem partiturartigen Bild, das im Grazer Literaturhaus in Fragmenten an die Wand gehängt wird. Als Besucher ist man dazu eingeladen, durch den Text zu flanieren, zu überschreiben, überzeichnen und übersetzen.
Zur Seite stehen einem dafür zehn heimische AutorInnen, die ihren Zugang zu dem Text präsentieren. Andreas Unterweger etwa sucht sich seine Lieblingszitate heraus und bannt sie auf Luftballons. Sophie Reyer hat Texte in Bilder übersetzt, aus denen sie ein Rätsel gebastelt hat - wer es löst, bekommt ein Spontangedicht als Lohn. Und Clemens J. Setz sowie Gerhild Steinbuch ziehen als etwas naive Interpreteure der US-amerikanischen Schule mit Post-Its durch den Text.
Die Grenzen zwischen Autor und Interpret werden so in einer klugen und gewitzten Installation ausgelotet, ohne dabei die literaturgeschichtliche Bedeutung des Werks von Marianne Fritz zu verunglimpfen. Zu sehen bis 8. Oktober im Grazer Literaturhaus.
Christoph Hartner
