Pressestimmen


Der Standard - 21.09.2010
Sicht- und unsichtbare Denkräume in der Stadt "Utopie und Monument II" fragt auch, ob Kunst im öffentlichen Raum Öffentlichkeit herstellen kann


Autohupen, Taubengegurre, das Quietschen der Straßenbahnschienen oder auch Kirchenglocken: Die spezifische Charakteristik und kulturelle Prägung öffentlicher Räume ergibt sich auch durch seine akustischen Reize. Oft wird das allerdings erst bemerkt, wenn der "Lärm" fehlt. Aus diesem Grund wollte der Konzeptkünstler John Knight aus Los Angeles in Graz gerne für eine gewisse Zeit das Läuten der Kirchenglocken verstummen lassen - zumindest einmal am Tag. Das Projekt scheiterte am Veto der Kirche.

   John Knight musste sich also für den zweiten Teil des Ausstellungsprojekts Utopie und Monument , das verschiedenste Orte im öffentlichen Raum bespielt, etwas Neues einfallen lassen. Beim Prinzip des Weglassens ist der Künstler allerdings geblieben. Sein Eingriff bezieht sich auf Arbeit, die für andere Freizeit ist; auf kulturelle Produktion, deren Erfolg sich auch in ihrer Sichtbarkeit misst. Im Marketing gilt etwa der Schlüssel, die gleiche Summe, die man investiert hat, nochmals für Werbung aufzuwenden, um auf die ursprüngliche Investition entsprechend hinzuweisen. Was Knight in der Intervention wegnimmt, ist ein Teil der Beflaggung des Steirischen Herbsts in der Herrengasse. Übrig bleibt eine Reihe purer Stahlmasten, die sich, so Kuratorin Sabine Breitwieser "wie ein Rückgrat durch die Stadt zieht".

   Der erste Teil von Utopie und Monument 2009 habe erst einmal "das Terrain abgesteckt", erklärt Breitwieser, die im Oktober am Museum of Modern Art in New York ihren Job als Chefkuratorin für Medienkunst und Performance antreten wird. "Es ging um den öffentlichen Raum als solchen und seine Bedeutung für uns heute; Thema war vor allem seine massive Privatisierung und wer keinen Zugriff mehr auf ihn hat." Heuer widme man sich stärker der Rolle von Kunst im öffentlichen Raum und den jeweiligen künstlerischen Strategien.

   Wie gehen Künstler mit der Auftragssituation und den in sie gesetzten Erwartungen um? Hat ihre Arbeit tatsächlich traditionelle Eigenschaften politischen Handelns angenommen? Und inwiefern kann Kunst im öffentlichen Raum ein Feld herstellen, wo gemeinschaftliche Angelegenheiten diskutiert werden? Kurz gefasst: Kann Kunst Öffentlichkeit herstellen? Den Blick, den Künstler von außen auf eine Stadt werfen, sieht Breitwieser dabei ganz generell als Bereicherung an.

   Kader Attia etwa, der in einer Banlieue von Paris als Sohn algerischer Einwanderer großgeworden ist, bringt Sensibilität gegenüber migrantischen Themen mit. Die Unfähigkeit der Politik im Umgang mit "transnationalen Räumen" reicht laut Attia von Katar bis Wien, von Istanbul bis Graz. Spürbar wurde das Problem für Attia am Jakominiplatz. Daher hat er diesen Ort für sein auf den Boden gezeichnetes Statement, "eine poetische wie politische Geste", ausgewählt.

   Mit Couscous hat der Künstler eine Linie über den Platz gezogen, die den Platz in zwei Sektoren teilt. Grenzen, so Attia, sind für Immigranten doppelt schmerzvoll: Sie erinnern an die Trennung von ihrer Heimat, aber auch an erlebte Ab- und Ausgrenzung im neuen Land. Das Verschwinden der Linie - Vögel picken den Couscous auf, der Wind verbläst ihn - wurde per Video dokumentiert, das beim Herbst in den Straßenbahnen und am Platz selbst präsentiert wird.

   Wesentlich greif- und sichtbarer sind in Graz die Eingriffe von Isa Genzken und Paulina Olowska. Während am Mariahilfer Platz Genzkens am Design des Alltags geschulte Skulpturen mit der urbanen Umgebung in Dialog treten und kommentieren, transferiert Olowska die polnische Kultur der Neons, stumme Zeugen der Wirtschaft im Sozialismus, auf das Dach der Tiefgarage am Andreas-Hofer-Platz.

   >> Eröffnung 24. 9., Tummelplatz, 17.00 , Ausstellung bis 2. 11.

Bild: Eine symbolische Grenzlinie aus Couscous am Jakominiplatz von Kader Attia: "Die Natur kümmert sich nicht um derlei physische und symbolische Unterscheidungen zwischen politischen Räumen." F.: W. Silveri

Anne Katrin Feßler



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