Pressestimmen


Der Standard - 21.09.2010
"Ich habe einen Ehrenkodex gegenüber Künstlern"
Über Finanzjongleure, Finanzsorgen, Sicherheit und den ungeschützten Raum der Kunst sprach die Intendantin des "Steirischen Herbstes", Veronica Kaup-Hasler mit Colette M. Schmidt.

Standard: Ihr diesjähriges Festival-Leitmotiv "Meister, Trickster, Bricoleure" erinnert auch an Spekulanten, die durch die Finanzkrise mehr ins Rampenlicht gerieten, als sie wollten. War das gewollt?

   Kaup-Hasler: Absolut. Unsere Leitmotive waren immer Versuche, heiße politische Themen aufzugreifen und in einem Kunstkontext auf sehr vielfältige Weise zu behandeln. Wir hatten vor drei Jahren "Strategien zur Unglücksvermeidung", wo dann rund um die Eröffnung die Finanzkrise losbrach, und letztes Jahr hatten wir die Frage nach Werten in einer Zeit, wo es keine vorherrschende Ideologie mehr gibt. Damals kam schon die Idee vom Schwindel - vom physischen, im Sinne von Vertigo, bis hin zur Lüge. Spitzen der Gesellschaft schaffen es jahrelang einerseits, vollkommene mediale Präsenz zu haben und gleichzeitig tief drinnen zu stecken in virtuellen Konstrukten, die plötzlich kippen. Das geht von Berlusconi bis in die österreichische Politik. Aber es geht nicht um moralische Wertung, sondern um die Analyse dieser Systeme. Nicht nur in der Finanzwelt.

   Standard: Wobei zumindest ein Projekt gerade diese betrachtet. Kaup-Hasler : Ja, das Kollektiv qujOchÖ, das eine Kartografie exzeptioneller virtuoser Finanzjongleure erstellt hat. Aus Österreich ist Werner Rydl dabei. Aber der Bogen geht in anderen Projekten auch zum Virtuosen in der Kunst, etwa bei Marino Formenti, der sich tagelang im Stadtmuseum einbunkert, dort schläft, isst und Klavier spielt.

   Standard: Bleiben wir noch bei den Finanzen: Sie haben den Steirischen Herbst mit einem Sparbudget übernommen und werden bis 2014 Intendantin bleiben. Wie geht es Ihnen mit den geforderten Kürzungen im Landesbudget?

   Kaup-Hasler: Wir haben schon vor Monaten ein Papier vorgelegt, in dem wir genau aufgelistet haben, wo wir schon sparen und was es bedeuten würde, noch mehr zu sparen. Wir haben seit meinem Antritt bereits 500.000 Euro durch die mangelnde Indexanpassung verloren. Deswegen ist die Sonderfinanzierung des Landes eine tragende Wand in diesem Gebäude, ohne sie bricht die Identität des Herbstes zusammen. Um aber die Identität und Qualität des Steirischen Herbstes zu wahren, haben wir das Festival um eine Woche gekürzt, verzichten schweren Herzens auf große Musiktheaterproduktionen, da die Kosten einer großen Produktion dem gesamtem derzeitigen Tanz-, Theater- und Performanceprogramm mit allen Ur- und Erstaufführungen entsprechen. Außerdem geben wir viel Geld durch Kooperationen in die lokale Szene weiter. Hier noch mehr zu kürzen würde einen künstlerischen Kahlschlag in der Region bedeuten. Die internationale Reputation des Steirischen Herbstes konnten wir ja ausbauen, die auch darin besteht, ein interdisziplinäres produzierendes Festival zu sein, nicht eines, das lediglich gekaufte Produktionen aneinanderreiht. Und es gibt auch einen Ehrenkodex, den ich Künstlern gegenüber einhalte, sprich: Wir versuchen so gut es geht, die Künstler vor Dumping-Prozessen und zunehmender Selbstausbeutung zu schützen. Dabei hat uns der Rechnungshof exquisite Zeugnisse ausgestellt. Ich hab noch nie einen Cent überzogen.

   Standard: Am Sonntag wird in der Steiermark gewählt. Im Wahlkampf wurde der Begriff Sicherheit strapaziert. Was bedeutet das für ein Festival, dessen Tradition es ist, auch Risiken einzugehen?

   Kaup-Hasler: Gerade da ist die Kunst per se ein Raum eines anderen gesellschaftspolitischen Entwurfs.

   Standard: Ein geschützter Raum?

   Kaup-Hasler: Nein, der ist sehr ungeschützt. Und zunehmend natürlich auch mit einem Denken konfrontiert, das eben "auf Nummer sicher gehen" will und das quantifizierende Moment beim Publikum immer im Hinterkopf hat. Einerseits wird experimentelles Kunstschaffen gefordert und die vermehrte Einbindung aller Bevölkerungs- und Altersgruppen verlangt, und gleichzeitig wird verlangt, damit mehr Geld zu machen und Eintrittspreise zu verlangen, die sich nur wenige leisten können. Das ist zutiefst paradox.

   Standard: Was wünschen Sie sich von einem künftige Landeskulturrat in der Steiermark?

   Kaup-Hasler: Eine Stärkung des zeitgenössischen Kunstgeschehens in der Steiermark, auch jenseits von Design. Also ein klares Bekenntnis zur und ein Engagement für die Kunst und eine positive Unterscheidung zum Begriff Design, der zurzeit sehr wichtig genommen wird in Graz. Außerdem würde ich mir das Hinzuziehen von Beiräten wünschen, die nicht nur aus Menschen bestehen, die hier eine Agenda haben, sondern aus internationalen Experten. Denn das Problem der Beiräte besteht darin, dass viele Leute drinnen sitzen, die hier selbst Förderungen kriegen. Gleichzeitig sollte man unbedingt auch weiter den Dialog mit der Szene und den hier ansässigen Kulturschaffenden intensivieren.

   Veronica Kaup-Hasler, Jahrgang 1968, ist seit 2006 Intendantin des Festivals Steirischer Herbst, das gleich alt ist wie seine derzeitige Chefin. Foto: Corn

Colette M. Schmidt



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